Montag, 18. Oktober 2010

Der 1.5-te Streich

Für die NZZ ist seit dem 30. September jetzt auch eine iPad-Anwendung verfügbar, auf welcher der gesamte Zeitungsinhalt als E-Paper (auch bekannt als Epappe) zugänglich ist. Diese Anwendung ist für mich eine grosse Enttäuschung, weil 1. Epappe, und 2. mit CHF 444 p.a. völlig unattraktiv relativ zum Print-Abo mit CHF 512 (13% weniger). Die iTunes-Konsumenten scheinen das ähnlich zu sehen, denn zZt wird die App mit 2.5 von fünf möglichen Sternen bewertet (284 Wertungen).

Es gibt aber noch Hoffnung! Auf dem NZZnext Blog schreibt der Leiter Online Peter Hogenkamp, dass Ende Jahr eine zweite App kommen wird, deren Umfang (neudeutsch scope) man Ende August noch im Begriff der Festlegung war. Die Hoffnung wird allerdings dadurch wieder geschmälert, dass Hogenkamp in einem neueren Beitrag "zugibt", viel über die Leserbedürfnisse gelernt zu haben. Lernen über die Leserbedürfnisse? Woher denn?

War es in der Donnerstag "ausgestrahlten" Bloomberg-Dokumentation über Steve Jobs, in der ich erstmals ein Zitat von Henry Ford kolportiert gehört habe? Er soll gesagt haben, dass wenn man die Benutzer der Automobile vor Lancierung gefragt hätte, was sie bräuchten, dann hätten sie sich schnellere Pferde gewünscht. Apple demonstriert immer wieder neu, dass es falsch ist, bei technologischen Innovationen auf Benutzerbedürfnisse abzustellen, die aus Umfragen gewonnen werden.

Wir sind also gespannt auf das letzte Wort der NZZ im App-Markt und hoffen, dass Attraktivität nicht nur funktional, sondern auch preislich verstanden wird.

Sonntag, 29. August 2010

Der erste Streich!

Es ist soweit, die Sonntagszeitung hat als erste Schweizer Zeitung von nationaler Bedeutung mit einer attraktiven iPad App den nächsten grossen Innovationsschub lanciert. Die Navigation basiert zwar nach wie vor auf dem Ressort / Seiten Paradigma der physischen Zeitung und ist gewöhnungsbedürftig (z.B. Artikel swipe mit einem Finger statt zweien), aber all sowas kann in einer nächsten Version ja verbessert werden. Und eine neue Version ist gemäss SoZ bereits in der Apple Pipeline, also sind wir gespannt.

Zentral sind natürlich die kommerziellen Aspekte. Ein Jahresabo auf der App kostet mit CHF 88 ziemlich genau 52% des regulären Print-Abos und ist somit einigermassen attraktiv in der Preisgestaltung (unzumutbares "ePaper" Abo 111 - was ist da schief?). Wir haben gekauft. Ebenso gekauft haben offenbar Werbekunden, die erste Video-Inhalte plaziert und damit die Monomedialität des gedruckten Bezahlmediums gebrochen haben. Gratulation an die Sonntagszeitung für den Primeur anderer Art!

Freitag, 19. März 2010

Wo liegt Bundesbern?

Es scheint, es sei eine Bewegung im Gange, die altehrwürdige Kapitale des Standes Bern mittels multimedialer Apotheose über sich selbst zu erhöhen und zum virtuellen Ort zentralstaatlicher Politik zu machen: Bundesbern. Leider haben sogar die bundespolitischen Redaktoren der NZZ sich diesen modisch-billigen alliterativ-tautologischen Pleonasmus unreflektiert zu eigen gemacht, in der heutigen Ausgabe gleich in dreifacher Ausfertigung. Aktuell findet Google zwar erst 12'900 Exemplare dieser sprachlichen Verirrung, und mangels Suchvolumen ist es noch zu früh, um einen Trend feststellen zu können. Eine Schwalbe macht also noch keinen Frühling, genauso wenig wie Bundesbern den Bund. Lassen wir das also.

Sonntag, 14. März 2010

Papier oder nicht Papier, das ist die Frage

Es ist soweit, die Erneuerung des NZZ Abos steht an. Angesichts des in rund einem Monat auch hierzulande verfügbaren iPads habe ich beschlossen, die Erneuerung auszusetzen. Diese Entscheidung ist mir nach Jahrzehnten ununterbrochener NZZ-Lektüre nicht leichtgefallen, hat aber folgende Gründe:
  • Mein Medienkonsum hat sich durch das Internet stark verändert. Aus der gedruckten Zeitung erfahre ich praktisch nichts Neues mehr, der Mehrwert (abgesehen vom Brandwert des Altpapiers) ist daher relativ gesunken. Mit dem iPad wird zudem eine frühstückstaugliche Konsumplattform verfügbar, die es in dieser Art bisher noch nicht gegeben hat.
  • Das oft angeführte "taktile Erlebnis" Zeitung ist für diesen Konsumenten wertlos: grossformatige Zeitungen halte ich für umständlich und unpraktisch. Zudem sind sie aufwendig in der Entsorgung (Ausnahme s. oben).
  • Das in der Schweiz offerierte online-Angebot relevanter Titel beschränkt sich auf pdf-Ausgaben der gedruckten Zeitung und ist damit für den versierten online-Konsumenten unattraktiv, da weder Interaktion noch Multimedia geboten wird. Zudem sind sie gegenüber der Print-Ausgabe überteuert (siehe Tabelle): Vermutlich werden nur die eingesparten direkten Kosten (Papier, Distribution) weitergegeben, aber nicht die Kapitalkosten der Druckerei. Diese bin ich nicht bereit mitzufinanzieren.



Print+
Online
Differenz
Art
BaZ
368
276
25 %
ePaper
Finanz und Wirtschaft
305
225
26 %
ePaper
NZZ
512
368
28 %
ePaper
Tagesanzeiger
374
176
53 %
ePaper
The Economist
235
99.75
58 %
web
Financial Times
1286
530
59 %
web
Wall Street Journal
300
109.2
64 %
web



Bin ich daher als NZZ-Kunde verloren? Nein! Ich werde als zahlender Kunde zurückkehren, sobald ein attraktives online-Angebot verfügbar ist. Attraktivität bedeutet, dass das online-Produkt die journalistischen Qualitätscharakteristiken der NZZ behält, aber alle Möglichkeiten des neuen Mediums nutzt und preislich vernünftig ist. Die Messlatte für die Attraktivität sind einmal mehr angelsächsische Produkte wie WSJ und Economist, die echte online-Produkte zu einem vernünftigen Preis bieten.

Ich hoffe darauf, bald wieder NZZ-Abonnent werden zu können!

Donnerstag, 31. Dezember 2009

NZZ mobil


Seit kurzem verfügt die NZZ (nach BaZ, TA und anderen) auch über eine eigene (Bezahl-)Applikation für das iPhone. Im Gegensatz zu den Gratis-Apps der Konkurrenz kostet die NZZ Online zwar Fr. 3.30 und somit etwas mehr als eine Druckausgabe. Sie darf aber immer noch als günstig gelten, schneidet in der Nutzerbewertung jedoch schlechter ab als die offenbar gemeinsam entwickelte App von BaZ, BZ und TA. Woran das liegt? Vermutlich an der wenig phantasievollen Oberfläche, die wie figura zeigt an der Spartenaufteilung der Druckausgabe klebt. Zudem werden die technischen Möglichkeiten der Plattform kaum genutzt. Die App geht wenig weiter als die mobile Version der NZZ website. Allerdings liegt sie erst in der Version 1.0 vor, wir dürfen also auf wesentliche Verbesserungen hoffen.

Meines Erachtens ist die App allerdings auch Symptom einer tiefgreifenden Malaise im Hause NZZ, was den Umgang mit den Herausforderungen der neuen Medien betrifft. Diese stellen bekanntlich das Geschäftsmodell der herkömmlichen Medien in zentralen Punkten in Frage. Der Königsweg, wie damit umzugehen wäre, ist unbekannt. Um ihn zu finden, sind jedoch mutige, konzeptionell ansetzende Experimente wohl unumgänglich, wie wir sie vor allem bei angelsächsischen Medien wie WSJ, FT, NYT, Economist etc sehen. Die Experimentierlust der NZZ hält sich demgegenüber aber bisher leider in engsten Grenzen, was uns wenig zuversichtlich stimmt.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Gefährliche Hunde

Auch die Schweizer Politik ist auf den Hund gekommen, das wissen wir. Interessant ist trotzdem, dass in Grossbritannien ein vor 18 Jahren eingeführtes Verbot bestimmter Hunderassen gemäss heutigem Artikel wenig gebracht hat. Im Vergleich wird festgestellt, dass es in der Schweiz aufgrund mangelnder Bundeskompetenz 23 kantonale Hundepolitiken gibt. Welchen Schluss zieht das liberale Meinungsblatt? Der hündische Föderalismus gehört durch eine zentrale Regelung ersetzt.

Ein Kommentar sollte eigentlich überflüssig sein ... trotzdem: Wenn schon der Vergleich mit Grossbritannien zeigt, dass die interventionistische Hundepolitik des Zentralstaats fehlgeht, weshalb fordert dann crz eine ebensolche für die Schweiz? Wie würde der Brite sagen: fail. Note: 3. 

Sonntag, 13. Dezember 2009

CRU + 15

Die Akte Climategate in der NZZ kann für's erste geschlossen werden. Der zuständige Redaktor Spe hat am Freitag auf der Seite Meinung & Debatte einen Beitrag zum Aufräumen nach der Klima-Affäre gebracht, der der Bedeutung des Themas endlich angemessen ist - wohl nicht zuletzt, weil ihn die Umstände dazu gezwungen haben. Nach den vergeblichen Versuchen des Totschweigens und der Verniedlichung ("Sturm im Wasserglas") musste er nun angesichts der in die Wege geleiteten Untersuchungen anerkennen, dass Climategate die Glaubwürdigkeit der involvierten Forscher kompromittiert hat. Diese kann nur durch schonungslose Offenheit wieder hergestellt werden.

Aus Sicht des treuen NZZ-Lesers, dem diese Erkenntnis bis jetzt vorenthalten worden ist, bleibt zu hoffen, dass der Redaktor gelernt hat, die persönliche Auseinandersetzung mit unbequemen Wahrheiten in wesentlich kürzere Zeiträume zu komprimieren, sodass der Leser ihn nicht in jeder Phase seiner Trauerarbeit begleiten muss ...

Note: Ungenügend aufgrund der übermässig und unnötig langen Verzögerung.

Nachtrag: Im besagten Beitrag sind die Leser-Kommentare deaktiviert. Ob das wohl mit den recht eindeutigen Reaktionen auf den letzten Beitrag zu tun haben mag? Es war wohl eher das Wochenende.